Der Fahrer hatte fertig gezählt.
»Wenn ihr auf das Boot kommt«, begann Ensar mit ernster Stimme, »sorg dafür, dass ihr einen Platz an Deck bekommt.«
»Die Fenster bleiben oben.«
Die Stimme des Mannes war alles andere als freundlich. Aadil drehte das Fenster wieder hoch. Ohne Vorwarnung setzte sich der Jeep in Bewegung. Die Strasse hinunter. Immer weiter weg. Bis Onkel Ensar nur noch ein kleiner Punkt im Rückspiegel war und schliesslich völlig verschwand. Ob sie sich jemals wiedersehen würden?
Acht Stunden sassen sie auf der ungemütlichen Rückbank des Geländewagens. Über rüttelnde Schotterwege, und teilweise gänzlich ab von irgendwelchen Strassen, führte sie das Gefährt in eine ungewisse Zukunft.
Aadil hatte während der ersten drei Stunden noch ungefähr gewusst, wo sie entlang fuhren. Seither hatte er keine Ahnung mehr. Sie waren dem jungen Fahrer, der seit ihrer Abfahrt kein Wort mehr gesprochen hatte, hilflos ausgeliefert. Aadil kannte noch nicht einmal seinen Namen. Mayla hatte schon früh mit der sengenden Hitze gekämpft. Doch Aadils Bitte, die Fenster wenigstens ein bisschen herunterlassen zu dürfen, blieb unbeantwortet. Wobei keine Antwort in diesem Falle nein bedeutete.
Einmal hatten sie an einer Tankstelle angehalten. Sie konnten die Toilette benutzen und sich frisches Wasser kaufen. Mit dem letzten Geld, dass sie überhaupt noch hatten. Alles andere befand sich im Handschuhfach nur wenige Meter von ihnen entfernt. Und doch unerreichbar.
Ohne Vorwarnung blieb der Wagen plötzlich mitten auf einem unbefahrenen Feldweg stehen.
»Wir warten hier«, sagte der Fahrer. Und beliess es dabei.
Die Sonne brannte gnadenlos auf das Dach. In der brütenden Hitze harrten sie weitere zwei Stunden aus. Bis aus weiter Ferne ein Fahrzeug anzukommen schien.
© Samuel Vetsch | 2020